Zum 'Wintersemester'


 

Zu dem im Herbst erschienenen 'Wintersemester' gibt es seit einigen Tagen eine Buchbesprechung. Die Bochumer Lyrikerin Sigrid Nordmar-Bellebaum hat sie geschrieben:

 

 

Das Winkelmaß der Liebe

 

 

Hartmut Lux, 'WINTERSEMESTER - Lyrische Exkursionen, Naturstudien, Skizzen / Ausgewählte Gedichte und Texte'

Books on Demand GmbH, Norderstedt, 2010, 292 S., 18,90 €

ISBN 978-3-8391-8268-0

 

Das zu Weihnachten 2010 erschienene Buch enthält eine gegliederte Zusammenfassung von hauptsächlich lyrischen Arbeiten, aber auch kurzen Prosatexten und Bildern aus 30 Jahren.

   Schon beim ersten Durchblättern verzaubert es durch die Ruhe und Klarheit seiner Bildworte und Gedankenworte. Diese Verzauberung beruht aber auch darauf, dass der Leser, die Leserin mehrfach durch den Jahreskreislauf geführt wird und dadurch Gelegenheit erhält, Wahrnehmungen, Ahnungen, Erkenntnisse über die Natur und das Leben zu variieren und zu vertiefen und mit dem eigenen Ich zu verbinden.

   Als roter Faden durchzieht das Marienmotiv das ganze Buch, wobei ein fehlendes Marienstandbild auf einer Architekturfotografie zu Anfang gleichsam Stück für Stück in den Texten und Worten aufgebaut wird, sodass am Ende durch die Kunst die Marienhaftigkeit der Seele in ihrer Natur- und Geistbetrachtung aufleuchtet.

   Der Weg dazu vollzieht sich in drei Teilen des Buches, wobei der erste Teil sich in drei Zyklen gliedert ('Das Winkelmaß der Liebe', 'Sternbild des Kindes', 'In zärtlicher Epiphanie'), der zweite Teil Gedichte über Sterben und Tod und die Gewissheit des Engels im Menschen enthält, der dritte Teil Landschaften und Orten gewidmet ist. - Zusammenfügend ist allen Teilen ein gemeinsamer Lyrikstil und Prosastil. Es ist ein einfacher, mystisch-transparenter Liebesgeiststil, der die Welt so erscheinen lässt, wie sie im Anfang paradiesisch gewesen sein mag und als endzeitlich 'Neues Jerusalem', in dem es kein Leid und keine Tränen mehr gibt, nachdem die ungeheuerlichsten Katastrophen sich schon vollzogen haben, wie es in der Apokalypse des Johannes, Kapitel 21 und 22 beschrieben wird.

   Voraussetzung für diesen Liebesgeiststil ist ein langer, innerer Schulungsweg, der 'das Geistige im Menschen mit dem Geistigen im Kosmos' verbindet, wie es Rudolf Steiner, der Begründer der christusdurchdrungenen Anthroposophie beschreibt.

   Hartmut Lux, der Maler, Lyriker, Erzähler wahrt bewundernswerter Weise in allen 30 Jahren eine künstlerische Eigenständigkeit von hohem Rang. Dabei tritt er ganz bescheiden auf. Sein 'Wintersemester' gibt auf liebenswürdige Weise viel Lernstoff her.

   Zu lernen ist immer, wie er die höchsten geistigen Erkenntnisse an nachprüfbare Natur- und Seelengegenstände und -beobachtungen anknüpft, wie er in zärtlicher Konzentration dabei durchaus induktiv vorgeht und zu überraschenden und erhebenden Schlüssen kommt, die das Gedächtnis, hat man sie einmal aufgenommen, nicht mehr verlassen.

   Als Beispiel dafür möge dienen das Gedicht:

 

Wintersemester 

 

Sich einfinden, vor hellen

Winterhimmeln, vor dunklen

Winterbäumen

 

aufmerksam studierend die

feinen Verästelungen

Verzweigungen

 

die lebendige

Geometrie der Erde

das Winkelmaß

 

der Liebe

 

Dass auf diese Weise sogar das Christliche in der Natur gefunden werden kann - Schönheit, Größe, Liebesordnung - Weiterentwicklung, jedenfalls wenn wir an den Paradiesesstrom und den gewissermaßen endapokalyptischen Strom in ihr denken, ist heute, wo wir eher die apokalyptischen Zerstörungen erleben, kaum verbreitet und kann erst in der Nachfolge des Novalis gedacht und gefühlt werden und gestaltet werden, einem Dichterphilosophen, dem Hartmut Lux tief verbunden ist.

   Ganz eigenständig - auch in diesem Zusammenhang - bilden die Kunst-Prosa-Skizzen 'KUNST - Drei Wünsche' den Abschluss des 'Wintersemesters'. Der Künstler entfaltet hier seine Wünsche, durch seine Arbeit mit der außermenschlichen Welt zu sprechen; den Tod als Lebenswandlung zu begreifen und Prozesse und Gestaltwerdungen 'sei es in Farben oder Worten, Objekten, Installationen, sozialen Handlungen' zu vollbringen. Das ist ihm - auch in seinen tiefsinnigen Bildern - im 'Wintersemester' hervorragend gelungen.

 

Sigrid Nordmar-Bellebaum

Bochum, 14. 01. 2011


 

 

 

 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0