Epiphanien des Lichtes



Das Sonnenlicht ist unsichtbar; doch es macht, wenn es Tag wird, vieles sichtbar: Bäume und Häuser,  Menschen und Tiere, Farben und Formen der Blumen und wie vieles mehr; manches macht es jedoch auch ‚unsichtbar‘: die Sterne zum Beispiel, sie verbirgt es.
   Kommt der Abend, die Nacht, so sieht man, was im Umkreis der Erde beleuchtet ist: der Mond, die Planeten; vor allem aber auch, was im Kosmos selbst leuchtet: die zahllosen Sterne - und auf der Erde (im Sommer, wenn man Glück hat): die Glühwürmchen.

Immer allerdings bilden sich in der Natur - zwischen den selbstleuchtenden und den beleuchteten - auch lichtempfängliche Körper, so beschaffen, dass das Licht in sie eintreten kann und in ihnen aufscheint, aufglänzt, aufstrahlt oder aufblitzt: epiphanisch.
   Wo sich, wie im Schneekristall oder im Blumenblatt, in der Bienenwabe oder im Schmetterlingsflügel - auch in den Elementen, im Wässrigen, im Atmosphärischen - solche Epiphanien des Lichtes ereignen, wird die Erde ein wenig sonnenhaft; nimmt man es wahr, kann sich die Empfindung eines Schönen und zugleich Geheimnisvollen einstellen.
  Mit dem Schönen erscheint so, durch besondere Ordnungen im Aufbau natürlicher Körper (Kieselsäure), ein Drittes: eine in Blüten, Blättern, Kristallen eher äußerlich, in Tieren und Menschen auch innerlich immerfort mögliche und entstehende Sonnensphäre.
   Das Tor, durch welches man eintritt, ist das Gespräch mit der Natur selbst; ein Gespräch, das in der Stille stattfindet.


(aus dem Vorwort zu: 'Epiphanien - poetische Erkundungen des Lichtes')


aus; 'Epiphanien - poetische Erkundungen des Lichtes'
aus; 'Epiphanien - poetische Erkundungen des Lichtes'

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Kommentare: 1
  • #1

    Marianne (Samstag, 24 Januar 2015 10:32)


    Erst jetzt, bei noch genauerem Hinschauen fällt mir auf, dass das beinahe transparente, milchigweisse Blütenhüllblatt schützend, in meiner Fantasie gleich einem Heiligenschein, sich über Schneeglöckchens 'Köpfchen' ausbreitet.